Kombination des klinischen Risikos mit dem polygenetischen Risiko

Das klinische Risiko wird oft mit dem Polygenetischen Risiko (PRS) kombiniert. PRS nutzt Informationen aus dem gesamten Genom (=DNA) einer Person. Dabei werden viele kleine genetische Unterschiede erfasst und zusammengezählt, um einen Risikowert zu berechnen. Dieser zeigt, wie hoch die erbliche Wahrscheinlichkeit für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung ist. Der PRS ist in der Schweiz getestet und sehr genau. Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie empfiehlt ihn für Patienten mit mittlerem Herz-Kreislauf-Risiko. Das Polygenetische Risiko bleibt im Laufe der Jahre gleich. Das heisst aber nicht, dass alles vorbestimmt ist – es zeigt nur eine Veranlagung und keine endgültige Aussage über die Gesundheit.

Wissenschaftler:innen haben festgestellt, welche kleinen Veränderungen an vielen Stellen des Genoms mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen zusammenhängen. Millionen solcher kleiner Veränderungen wurden identifiziert. Basierend auf der Anzahl dieser Variationen berechnet man den sogenannten polygenetischen Risiko-Score. Da alle Menschen diese Variante haben, sollte jeweils das PRS in einer gesamten spezifischen Population berechnet werden. Die Resultate davon ergeben eine Gauss‘sche Kurve, in welcher man die Verteilung in der spezifischen Population z.b. schweizerische Population sieht. Die Verteilung in der Population dient als Grundlage, um den Cut-off zu bestimmen, ab dem das Risiko als «hohes Risiko» gilt.

Die menschlichen Gene bestehen aus DNA. Diese unterscheiden sich von Person zu Person und sind der Grund dafür, wieso wir beispielsweise alle anders aussehen. Manchmal können diese Unterschiede auch bedeuten, dass wir eine Voraussetzung für eine Erkrankung haben.
Polygen: Poly steht für viel, Genetik für die Gene. Polygenetische Veränderungen bedeutet hier, dass die „Veranlagung“ für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht durch ein einzelnes Gen verursacht wird, sondern durch kleine Veränderungen an vielen Stellen des Genoms.
Monogen: Im Gegenzug gibt es seltenere monogene Erkrankungen, die nur durch Veränderung eines einzelnen Gens entstehen. Hier ist der Effekt dieser defekten Gene sehr gross. Ein Beispiel dafür ist Familiäre Hypercholesterinämie: Eine genetische Störung des Lipidstoffwechsels durch Mutationen in einem Gen, welche zu erhöhtem LDL-Cholesterin und sehr hohem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen führt. In diesem Fall ist der Einfluss dieser Veränderung sehr gross. Oft kommen andere Einflüsse wie mehrere Gene oder Umweltfaktoren dazu. Diese sind aber sind nicht erforderlich, damit sich die Krankheit entwickelt.

Das klinische Risiko wird mit dem länderspezifischen SCORE-2 berechnet. Faktoren, die berücksichtigt werden sind Alter, Geschlecht, Rauchen, totales Cholesterin, HDL-Cholestrin, Triglyceride, LDL-Ccholesterin. Weitere Risikofaktoren wie Lipoprotein(a) oder autoimmun-chronische Krankheiten berücksichtigen die Ärzt:innen individuell. Der wissenschaftlich bestätigte Score basiert auf dem absoluten Risiko, das 10-Jahres-Risiko für das erstmalige Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Herzschlag und Hirnschlag gravierend und nicht gravierend) in der europäischen Bevölkerungen vorherzusagen.

Schauen wir das Beispiel von Petra und Hans an. Petra hat ihrem Bruder erzählt, dass sie ihr PRS-Ergebnis mit ihren Ärzt:innen besprochen hat. Sie hat ein hohes polygenes Risiko. Neben dem Rauchen könnte dieses Risiko zum Herzinfarkt ihres Grossvaters beigetragen haben. Petra sollte weiterhin ihren gesunden Lebensstil beibehalten. Auch Hans lässt seinen PRS testen. Basierend auf seinem polygenen und klinischen Risiko gehört er zu einer höheren Risikogruppe (kombiniertes Risiko). Hans sollte zum Beispiel mit dem Rauchen aufhören.

Kombination PRS und klinisches Risiko: Die beiden Werte ergänzen sich und geben ein vollständiges Bild. Klinische Werte allein können bei bis zu 40 % der Menschen Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht richtig vorhersagen. Gleichzeitig reicht das genetische Risiko allein nicht aus. Die genetischen Ergebnisse werden separat auf einer Gauss`schen Kurve dargestellt.

Viele Menschen haben ein gewisses Risiko, sprich eine Anzahl an genetischen Varianten. Diese Varianten sind in einer Population normal verteilt. Nehmen wir als Beispiel die Körpergrösse der Menschen: Es gibt nur sehr wenige Menschen, die ausserordentlich klein oder gross sind, aber sehr viele Menschen, die durchschnittlich gross sind. Der Durchschnitt ist auch die Spitze der Kurve. Die Perzentilen geben an, wie viel Prozent der Daten kleiner oder gleich einem bestimmten Wert sind. Diese Verteilung hilft uns, den Toleranzwert zu bestimmen, ab dem das Risiko als hohes Risiko gilt. In der Schweiz zählt man ab dem 60. Perzentil zur hohen Risikokategorie. Man hat herausgefunden, dass im Verlauf von über 15 Jahren die Patient:innen über dieser Grenze mehr Herzinfarkte und Hirninfarkte hatten im Vergleich zu jenen, die unter dem 60. Perzentil lagen.